„Auf dem Weg zum sanierten, zukunftssicheren Häusle“ – Interview mit Bauherr Erwin Fidelis Reisch
Von der ersten Vor-Ort-Begehung bis hin zur Abnahme nach Fertigstellung des Gebäudes begleiteten wir den Bauherrn Erwin Fidelis Reisch während des gesamten Sanierungsprozesses.
In einem Interview berichtet er nicht nur von erlebten Schwierigkeiten, die bei der Finanzierung und Sanierung auftraten, sondern macht auch anderen Immobilienbesitzenden Mut, dass Sanieren mit den richtigen Partner:innen auch Freude bereiten kann.
Abb.1: Bauherr Erwin Fidelis Reisch
(Foto ©EBZ)
Einen Überblick was bei der Sanierung alles in Angriff genommen wurde und detaillierte Informationen zur den Baumaterialien finden Sie in unserer Mustersanierungsübersicht.
Sie haben ja einiges an Ihrem Gebäude modernisieren lassen. Aus welcher Motivation heraus haben Sie sich denn für eine Sanierung des Gebäudes entschieden?
Erstens wollte ich das Gebäude (Baujahr 1973) für die nächsten 30 bis 40 Jahre fit machen, um es den nächsten Generationen zukunftssicher in die Hand geben zu können. Zweitens möchte ich die Energiewende und die notwendige CO2-Reduktion unterstützen. Für mich als Familienunternehmer ist das Thema Nachhaltigkeit und das Denken in Generationen kein politischer Wert, sondern ein Grundwert. Ob Menschen aus einer politischen, religiösen oder anderen Motivation nachhaltig handeln, also die Schöpfung respektieren und bewahren, spielt für mich keine Rolle – das Ergebnis ist das Gleiche.
Ein weiterer Grund ist eher technisch, als umweltpolitisch motiviert: Zeigen, was aktuell möglich ist. Als langjähriger Verleger gebäudetechnischer Fachzeitschriften hatte ich bei dieser Sanierung auch einen entsprechenden Anspruch an mich selbst. Wenn ich jetzt vor dem Haus stehe und die wunderbar leise Wärmepumpe, die Photovoltaikanlage oder die Auslassöffnungen der kontrollierten Wohnungslüftung mit Wärmerückgewinnung sehe, bin ich schon ein wenig stolz und sehr zufrieden
Das können Sie auch sein. Sie haben Photovoltaik zusätzlich zum Dach auch an der Fassade anbringen lassen. Das sieht man noch recht selten – wie kam es dazu?
Ich bin ein großer Fan der Photovoltaik und sehe das riesige Potenzial auch in unseren Breiten. Wenn Sie sich hier die leeren Dächer anschauen und dann noch die Fassaden dazunehmen, bietet sich das total an. Auch an einem trüben Wintertag kann man damit Strom erzeugen. Bevor man große Freiflächen damit zukleistert, sollte man die geeigneten Fassaden dafür verwenden. Zudem verleihen Photovoltaikanlagen alten Gebäuden einen modernen, technischen Touch, das fällt auf und zieht die Blicke der Menschen auf sich. Ich will damit auch andere Menschen inspirieren, bei ihren Sanierungsprojekten mit Fassaden-Photovoltaik nachzuziehen. Wenn man es sich leisten kann, dann sollte man es unbedingt tun und als gutes Beispiel voran gehen.
Abb.2: Teil der Fassaden-PV-Anlage
(Foto: ©EBZ)
Abb.3: Teil der Fassaden-PV-Anlage
(Foto: ©EBZ)
Welche Herausforderungen und Schwierigkeiten sind Ihnen während des Sanierungsprozesses begegnet?
Der Förderdschungel ist schwierig zu durchschauen, was für eine Privatperson kaum zu bewältigen ist. Ohne den Energieberater des EBZs hätte ich das nicht alleine geschafft. Die Zwischenfinanzierung der Zuschüsse von KfW und Stadt Stuttgart war auch ein schwieriges Thema. So, wie es jetzt läuft, ist eine umfassende, aufwändige Sanierung – etwas gehässig gesagt – eher etwas für wohlhabende Rentner mit viel Zeit und Liquidität.
Die andere große Herausforderung war die Verfügbarkeit von qualifizierten Handwerkern, die mit den anspruchsvollen Materialien umgehen können – deswegen ist die Qualitätssicherung in so einem Prozess auch ganz wichtig. Der Stuttgarter Sanierungsstandard geht da schon in die richtige Richtung, sollte aber im Bereich der Qualitätskontrolle noch ausgebaut werden. Für die lohnt es sich als Bauherr auch, zusätzlich Geld in die Hand zu nehmen.
Der Fachkräftemangel ist ein bekanntes Problem im Handwerk – wie wirkte sich dieser bei Ihnen auf die Dauer der Bauphase aus?
Ich hatte gedacht, wir bekommen das in einem halben Jahr über die Bühne – tatsächlich haben wir im Oktober 2021 begonnen und sind nun im März 2023 in der finalen Phase. Man kämpft für jeden einzelnen Termin im Handwerk. Wenn wir die Energiewende hinbekommen wollen, brauchen wir Menschen, die vor Ort auf der Baustelle arbeiten, die Energieberater werden und andere Menschen motivieren. Für einen Schwaben, wie mich, ist es schon ein eigenständiger Wert, seine Sachen, gerade auch sein Haus, in Ordnung zu halten – da dreht man bei einer solchen ambitionierten Sanierung dann auch nicht jeden Euro zweimal um.
„So, wie es jetzt läuft, ist eine aufwändige Sanierung eher etwas für wohlhabende Rentner mit viel Zeit und Liquidität“
Apropos Euro, Sie haben für die Sanierung Förderungen von dem Bund und der Stadt Stuttgart in Anspruch beantragt. Kam es bei den Genehmigungen der Förderanträge zu Schwierigkeiten?
Da die Fördermöglichkeiten sich ständig ändern, ist es erstmal schwierig, einen Überblick zu bekommen, was ich überhaupt beantragen kann. Umso wichtiger ist hier die Betreuung durch einen qualifizierten Energieberater, in meinem Fall aus dem EBZ.
Bei der KfW haben wir von der Antragstellung bis zur Genehmigung ca. 10 Wochen gebraucht, weil uns der Antrag aus rein formalen Gründen zweimal zurückgesandt wurde. Nur mit der Unterstützung des Energieberaters und des Architekten hat es schließlich funktioniert. Bei der KfW muss ich mich mühsam online durchwühlen – der Kontakt mit dem Stadtplanungsamt hier in Stuttgart war dagegen deutlich einfacher. Man kann mit einem Mitarbeiter direkt telefonisch besprechen, welche Unterlagen gegebenenfalls noch fehlen und nachgereicht werden müssen. Dort ging es deutlich schneller – ca. 2 Wochen.
Wenn die Bauphase dann abgeschlossen ist, kann man die Auszahlung der Förderung beantragen. Hat dabei alles problemlos geklappt?
Ich habe die Auszahlungen noch nicht beantragt und bin selbst gespannt. Man sollte aber wissen, dass KfW und Stadt Stuttgart zur Auszahlung der Förderung bezahlte Rechnung sehen wollen. Bei der Stadt muss man zusätzlich nachweisen, dass die Wohnungen an Menschen mit dem ersten Wohnsitz in Stuttgart vermietet sind. Zusätzlich muß man eidesstaatlich versichern, dass die Miete nach der Sanierung um nicht mehr als 10% erhöht wird und bei Neuvermietungen im Rahmen des Mietspiegels bleibt.
Wichtig ist zu wissen, dass man erst einmal in Vorleistung treten muss. Dazu ist gegebenenfalls eine Zwischenfinanzierung erforderlich. Selbst bei der BW-Bank als Tochter der Landesbank war aber ein Zwischendarlehen trotz Vorlage verbindlicher Förderungszusagen von KfW und Stadt ohne hypothekarische Absicherung unmöglich. Alleine dieses Ein- und Austragen der Hypothek beim Notar hätte ein paar tausend Euro gekostet. Ein echtes Sanierungshemmnis, das durch ein staatliches Bürgschaftsprogramm – quasi ein „Sanierungs-Hermes“ – leicht aus der Welt geschafft werden könnte. Nicht jeder kann eine notwendige Zwischenfinanzierung aus eigener Kraft stemmen.
Abb.4: Architekt Mundiger, Bauherr Reisch und Energieberater Wiederholl (Foto: ©EBZ)
Sie haben im Laufe unseres Gesprächs von einigen Hindernissen und Schwierigkeiten erzählt, die Ihnen bei der Sanierung begegnet sind. Welche Rolle könnte die Betreuung und Planung von Profis wie Architekt:innen und Baubegleitungen dabei spielen?
Sanierungswillige Menschen brauchen Sicherheit, man muss sie an die Hand nehmen, mit ihren finanziellen Möglichkeiten abholen und sie durch den Sanierungsprozess führen. Man muss ihnen die Sicherheit geben, dass sie das Richtige tun, dass der Kostenrahmen kalkulierbar ist und sie nicht zu viel Ärger mit der Sanierung haben. Aus meiner Sicht ist die erste und wichtigste Aufgabe eines Energieberaters, den sanierungswilligen Bauherren an die Hand zu nehmen und ihn aktiv durch den Förder- und Technikdschungel zu führen. Ich wäre nach meinen Erfahrungen durchaus bereit, für eine umfassendere Serviceleistung auch mehr Geld an das EBZ zu bezahlen. Also nicht nur die Förderungsberatung, Qualitätssicherung, sondern auch das, was dazwischen hängt, zu koordinieren – Energieberater haben eben eine viel breitere Sicht auf das Ganze.
Aus meiner Sicht spielt das EBZ in der Stuttgarter Energiewende eine extrem wichtige Rolle. Zusammen mit anderen Akteuren, wie den Stadtwerken, hat das EBZ eine sehr zentrale Bedeutung für das Umsetzen der Klimaziele in praktisches Handeln. Noch mehr Manpower beim EBZ wäre deshalb sehr wünschenswert.
„Am Ende des Tages steht man zufrieden vor seinem sanierten, zukunftssicheren Häusle und freut sich über seinen Beitrag zur Energiewende!“
Was würden Sie anderen Immobilienbesitzenden gerne mit auf den Weg geben?
Sanieren Sie unbedingt jetzt, wenn Sie die finanziellen Möglichkeiten dazu haben. Lassen Sie sich von den auf Sie zukommenden Problemen nicht abschrecken. Der Energieberater kann Sie als Bauherrn an die Hand nehmen und unterstützen. Verlieren Sie dabei nicht den Mut.
Das Problem der Zwischenfinanzierung kann und sollte von der Politik dringend in Angriff genommen werden – das halte ich für leicht und mit wenig Steuergeld lösbar.
Mit den richtigen Partnern (Energieberater, Architekt, Bauleiter, Handwerker) gelingt das! Am Ende des Tages steht man zufrieden vor seinem sanierten, zukunftssicheren Häusle und freut sich über seinen Beitrag zur Energiewende! Sanieren macht am Ende auch Spaß und bereitet lange Freude – lassen Sie sich nicht entmutigen!
Falls Sie noch mehr zu diesem Projekt oder anderen Sanierungsbeispielen erfahren möchten, besuchen Sie unsere Seite „Mustersanierungen im Stuttgarter Sanierungsstandard„.