Gebäudesanierung und Artenschutz von Bruno Lorinser
Gebäude sind Lebensraum für uns Menschen aber auch für zahlreiche Tiere und Pflanzen. Viele Tiere und auch Pflanzen haben dazu im Verlauf der Zeit ganz spezielle Anpassungen an die dortigen Lebensräume entwickelt. Diese Lebensgemeinschaften aus Menschen, Tieren und Pflanzen sind jedoch zunehmend bedroht. Vor allem deshalb, weil durch Sanierungsmaßnahmen in die Substanz von Gebäuden oder Strukturen eingegriffen wird, aber auch dadurch, dass leider viel Wissen um diese Lebensgemeinschaften verloren gegangen ist.
Ein zentrales Thema in Zeiten des Klimawandels und der Energiewende ist die energetische Gebäudesanierung. Sie ist richtig und notwendig und kann auch den Wohnwert einer Immobilie deutlich erhöhen.
Allerdings wird dabei in den meisten Fällen auf den Lebensraum insbesondere von Vögeln und Fledermäusen keine Rücksicht genommen. Das passt in Zeiten des Artensterbens nicht mehr! Vielmehr gilt es, nicht nur den Wohnwert für uns Menschen zu verbessern, sondern auch den Lebensraum für die tierischen Mitbewohner nicht nur zu erhalten, sondern möglichst zu verbessern oder entsprechende Quartiere, falls sie noch nicht vorhanden sind, neu zu schaffen. Gerade die energetische Gebäudesanierung ist dafür ein besonders geeigneter Anlass! Es sollte der Grundsatz gelten: Kein Gebäude mehr ohne geeignete Nistmöglichkeiten!
Aufgrund der geltenden Rechtslage ist es zwingend vorhandene Nistgelegenheiten zu erhalten. Tierischen Mitbewohner sind zudem wichtige Bioindikatoren, die uns Qualitätsverschlechterungen des Lebensraums anzeigen können. Sie schaffen aber auch eine qualitätsvolle Umwelt. Vielfalt schafft Lebensqualität!
Notwendig, (da gesetzlich vorgeschrieben) ist es, im Vorfeld einer Gebäudesanierung zu prüfen, ob das zu sanierende Gebäude bereits Quartiere für Vögel oder/und Fledermäuse beherbergt. Aber auch andere Gebäudebewohner, wie etwa Siebenschläfer und Gartenschläfer, sind dabei zu beachten.
In manchen Fällen sind die tierischen Mitbewohner bekannt. Meistens handelt es sich dann dabei um Haussperlinge, Hausrotschwänze oder Mehlschwalben (Bild), die offensichtlich sein können. Dann hat man es leicht, die Gebäudesanierung so zu planen und umzusetzen, dass diese Mitbewohner hinterher immer noch mit dabei sind. Manche Mitbewohner, etwa Fledermäuse oder auch Mauersegler, können aber so heimlich und unauffällig sein, dass sie den menschlichen Bewohnern gar nicht bekannt sind. Dazu als Illustration die beiden Bilder.
Die Übersichtsaufnahme zeigt ein altes Fachwerkgebäude in Innenstadtlage (Bild 3). Im Gebäude brüten Mauersegler. Viele solcher Brutstätten sind schwer zu entdecken, weil deren Bewohner oft nur sehr kurzzeitig zu sehen sind. Die Detailaufnahme zeigt das kleine, sehr unauffällige Einflugloch im Balkenverbund der Hausecke (Bild 4). Es ist notwendig, vor der Gebäudesanierung Fachleute auf dieses Thema anzusprechen. Das können die örtlichen Naturschutzverbände, etwa der zuständige Ortsverband des NABU sein, die in vielen Fällen gebäudebewohnende Arten möglicherweise sogar schon kartiert haben oder wissen, wo diese im Ort vorkommen. In komplizierten Fällen kann es auch erforderlich sein, ein Fachbüro einzuschalten.
Eine wichtige Handreichung ist die beiliegende Checkliste, die auf der Internetseite www.artenschutz-am-haus.de zu finden ist. Diese Internetseite bietet zum gesamten Kontext wertvolle Hinweise. Es finden sich dort nicht nur wichtige Hinweise und Erläuterungen, sondern auch ganz praktische Informationen, wie etwa Einbauanleitungen für künstliche Nistkästen und Hinweise für baulich integrierte Hilfsmaßnahmen für Vögel und Fledermäuse.
Die Themen Gebäudesanierung und Artenschutz sind nicht nur aus rechtlichen Gründen in engem Verbund zu sehen, sondern es geht ganz einfach darum, in Stadt und Land die Artenvielfalt zu erhalten und dauerhaft zu sichern. So unglaublich es klingt, aber selbst der gemeine Spatz ist inzwischen in vielen Wohngebieten, insbesondere den Neubaugebieten, oft gar nicht mehr anzutreffen! Warum? Die Haussperlinge (Bild 5) haben in Neubaugebieten aufgrund der heutigen Bauweise in aller Regel keine Möglichkeiten mehr in diesen Gebäuden ihre Nester zu bauen. Es fehlen die früher typischen Nischen im Bereich der Dachanschlüsse. Der Spatz als typischer Kulturfolger bleibt also ganz einfach ausgesperrt. Die Spatzen können in solchen Gebieten nicht mehr leben.
Das gilt auch für sanierte Gebäude. (Bild 6) Mit der Sanierung verschwinden viele der vielleicht vorher vorhandenen Brutmöglichkeiten. Daher ist es wichtig, bestehende Nistmöglichkeiten entweder zu erhalten oder neue Nistmöglichkeiten zu schaffen. (Bild 7)
Weiteres Informationsmaterial sowie Unterlagen zum Thema Gebäudesanierung und Artenschutz finden Sie hier:
- Maßnahmenübersicht „Tiere am Haus“
- Informationsblatt Spechtschäden an Fassaden
- Ablaufschema „Artenschutz bei Bauvorhaben“
- Protokoll für Beratungsgespräche
Quelle: Bruno Lorinser
Im Kommentar zum §37 des Bundesnaturschutzgesetzes heißt es: Die Allgemeinheit hat ein „überragendes Interesse daran, dass die Tierwelt in ihrer durch Zivilisationseinflüsse ohnehin gefährdeten Vielfalt nicht nur in der Gegenwart, sondern auch für künftige Generationen erhalten bleibt.“
Nach §44 des Bundesnaturschutzgesetzes ist die „Tötung und Verletzung von Tieren oder deren erhebliche Störung untersagt. Dazu gehören auch deren Ruhe- oderFortpflanzungsstätten.“ Diese dürfen also weder beschädigt noch zerstört werden.
Das bedeutet nicht, dass Renovierungsmaßnahmen nicht mehr möglich sind, wenn etwa Haussperlinge im Hausdach wohnen. Aber es gilt, darauf Rücksicht zu nehmen und bestehende Quartiere zu erhalten oder neue Quartiere zu schaffen. (Bild 8)
An erster Stelle steht die Erfassung des Bestandes der Gebäudebrüter. Es ist zwingende Aufgabe von Gebäudeenergieberatern spätestens bei den Vor-Ort-Terminen auf diesen Umstand hinzuweisen. Verstöße gegen diese Regularien können zur Baueinstellung durch die zuständige Baurechtsbehörde führen.
Aus der Erfassung leiten sich dann die weiteren Maßnahmen ab. So ist es etwa unsinnig, brütende oder fütternde Mehlschwalben oder Mauersegler mit Schutznetzen an Baugerüsten vom Brutgeschäft abzuhalten. Hier hilft es schon, das richtige Bauzeitenfenster zu wählen. Die Baustelleneinrichtung und der Bauablauf lassen sich bei gutem Willen leicht im Einklang mit den artenschutzrechtlichen Belangen planen und umsetzen.
Können vorhandene Nistmöglichkeiten aufgrund der baulichen Gegebenheiten nicht erhalten werden, so ist sind mit künstlichen Nistkästen entsprechende Brutmöglichkeiten zu schaffen oder mit einfachen baulichen Maßnahmen gebäudeintegrierte Brutmöglichkeiten zu schaffen. Dies ist ohne bautechnische Probleme immer möglich. Auch die optisch ansprechende Gestaltung von künstlichen Nistmöglichen ist kein Problem. Die Kosten für derartige Maßnahmen sind sehr gering. Werden die Maßnahmen baulich gleich mit eingeplant, entstehen eigentlich keine Zusatzkosten. (Bild 9)
In Zeiten des Artenschwundes ist es angezeigt, auch dort, wo bisher keine Nistmöglichkeiten vorhanden sind, bei baulichen Eingriffen neue Nist- und Brutmöglichkeiten zu schaffen. Dabei spielt es keine Rolle, ob Aussichten auf eine unmittelbare Besiedelung dieser neuen Quartiere bestehen. So kann es im Fall von Fledermäusen viele Jahre bis zu einer Neubesiedelung dauern. Andere Bewohner, wie etwa Hausrotschwänze (Bild 10) stellen sich oft direkt nach der Ausführung ein. (Bild 11) Dabei können die örtlichen Naturschutzverbände kompetente Berater sein.
Gebäudesanierungen finden bei privaten Wohngebäuden statt, bei Gebäuden der öffentlichen Hand (Bild 12), bei Kirchengemeinden (Bild 13), bei landwirtschaftlichen Gebäuden (Bild14) und im Objektbereich. Diese verschiedenen Gebäudetypen werden alle gelegentlich saniert oder energetisch ertüchtigt. Manche dieser Gebäude sind sehr groß oder sehr hoch und können daher eine Heimstatt für größere Vögel wie Turmfalken, Dohlen oder Schleiereulen bieten. Hier ist die kooperative Zusammenarbeit mit den Naturschutzverbänden gute Voraussetzungen für beispielhafte Ansätze im Artenschutz. Auch, wenn der bauliche Aufwand für die Installation geeigneter Nistmöglichkeiten im Einzelfall etwas aufwendiger sein kann. (Bild 15)
Mögliche Bedenken seitens des Denkmalschutzes können in der Regel durch positive Gestaltung leicht ausgeräumt werden. Schließlich waren historische Gebäudetypen früher immer Heimstatt für viele Bewohner (Bild 16). Wir sollten uns daher bemühen, diese Optionen wieder zu schaffen. So sind etwa Dohlen (Bild 17) für die von ihnen bewohnten Gebäude die optimale Garantie dafür, dass sich dort niemals Stadttauben einfinden werden. Artenschutz kann also auch aktiver Schutz für Gebäude sein!
Gebäudesanierung kann damit auch ein Schlüssel für mehr Artenvielfalt und Naturerleben in der Stadt sein. Diese Chance sollten wir nutzen! Schließlich wollen wir alle lebenswerte Stadtquartiere haben und keine toten und lebensfeindlichen Wüsten schaffen.
Internetseiten zum Thema: